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Mit dem Download akzeptieren sie die AGB von mnemopol/ textfeld. ABSTRACTDie vorliegende Theoriearbeit wird von der Frage geleitet, wie sich das Bündnis zwischen Individuen und abstrakten Kollektivitäten herstellt und wieso die daraus resultierenden Konstellation "die Identität" in aller Regel polemogen ist. Im ersten Kapitel versucht der Autor sich dazu zunächst einen Überblick über die Diskurse bezüglich subjektiver Identität zu verschaffen. Er vollzieht nach, wie der Identitätsbegriff bei Erikson, G.H. Mead und Keupp gebraucht wird und welche stillschweigenden Voraussetzungen dabei in Anschlag gebracht werden; mit ähnlicher Blickrichtung wendet er sich auch der Psychoanalyse (hier ist Bohleber sein Leitautor) und den Cultural Studies (hier folgt er v.a. Hall) zu. Schon hier tritt der Differenzaspekt von Identität klar zu Tage, insofern sich diese immer über Abgrenzung konstituiert.
Um die aus dieser ersten Arbeitsrunde verbliebenen Widersprüche der einzelnen Verwendungen des Identitätskonzeptes zu klären, setzt der Autor im nächsten Schritt seines Unterfangens grundsätzlicher an: Mit Horkheimer & Adornos Dialektik der Aufklärung (1944) folgt Herr Sanin im zweiten Kapitel der vielleicht radikalsten Kritik am alles durchdringenden Kontroll- und Herrschaftsprinzip der westlichen Zivilisation, die im abgelaufenen Jahrhundert formuliert worden ist. Dieses Prinzip setzt Einteilung, Klassifikation und Kategorisierung voraus; denn nur, was identifiziert und klassifiziert ist, kann der kontrollierenden und unterwerfenden Instanz dienstbar gemacht werden. Identität entspringt für Horkheimer und Adorno aus der Mitte dieser Einteilungslogik. "Identität ist die Urform von Ideologie", sagt Adorno, weil sie immer schon vom Willen zur Herrschaft durchsetzt ist. Nach einer solchen Einsicht ist verständlich, daß sich der Autor nicht mehr in positiver Weise auf den Identitätsbegriff beziehen will. Herr Sanin gibt daher sein ursprüngliches Vorhaben, Südtiroler Identitätskonstruktion zu beschreiben, auf, und widmet sich im dritten Kapitel stattdessen einer ganz im Theoretischen bleibenden Analyse menschlicher Vergesellschaftung, bei der ihn v.a. die Schriften von Berger & Luckmann, McLuhan und Slunecko leiten. An den Begriffen "Nation" und "Kultur", mit denen typisch die kollektive Sphäre von Identität gekennzeichnet wird, weist er auf, daß hier "falsche Gegenstände" vorliegen, die sich sogleich wieder mit dem Herrschaftsprinzip vermählen.
Offensichtlich will der Autor die Arbeit nicht mit der lakonischen Feststellung beenden, daß, wie er am Anfang des abschließenden vierten Kapitels schreibt, mit dem Identitätsbegriff nichts anzufangen sei (denn wer den Begriff verwendet, bedient immer einen Diskurs, in dessen Grammatik Fundamentalismus und Gewalt unvermeidbar angelegt sind). Er sucht daher nach Wegen, das Denken in Identitäten zu überwinden, um sich und die Welt jenseits der Unterscheidungsmaschine neu zu be- und ergreifen. Zu erwarten wäre, daß eine solche Suche, gerade wenn sie von Horkheimer und Adorno inspiriert ist, auf das Grundproblem der abendländischen Metaphysik stoßen müßte, jener Vermählung von zweiwertiger Logik und einwertiger Ontologie (Sein ist; Nicht-Sein ist nicht), die den abgelehnten oder nicht gewählten Teil nihilieren bzw. terrorisieren muß. Für Herrn Sanin ist an diesem Punkt das Sich-neu-Ergreifen wichtiger als das Sich-Begreifen, das Tun wichtiger als das Sein; er schwenkt daher abschließend auf zwei Autoren ein, Grossberg und Spivak, die auf je unterschiedliche Weise jenseits des Sprechens von Identität ein Plädoyer für emanzipatorisches Handeln liefern wollen.
Herr Sanin erbringt im theoretischen Ankämpfen gegen die falschen Selbstbeschreibungen, an die auch der Diskurs der Psychologie leider meist umstandslos anzuknüpfen pflegt, eine anerkennenswerte Leistung, an der insbesondere erfreulich ist, daß das sprachliche Niveau mit dem der inhaltlichen Auseinandersetzung Schritt hält. Anspruch wie Durchführung der Arbeit sind ungewöhnlich hoch.
Thomas Slunecko LITERATURMead, George Herbert | McLuhan, Marshall | Marx, Karl | Horkheimer, Max | Holzkamp, Klaus | Haraway, Donna | Freud, Sigmund | Foucault, Michel | Butler, Judith | Bourdieu, Pierre | Adorno, Theodor W. | Sloterdijk, PeterKlick auf die Person, um andere Texte anzuzeigen, die sich auf sie beziehen. BEGUTACHTERINThomas SluneckoKlick auf die Person, um Texte anzuzeigen, die von der gleichen Person begutachtet wurden
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